PORNSTAR_BORN TO BE A STAR
2001
site specific
Galerie Museum ARGE Kunst (cur. Sabine Gamper) Bozen Bolzano 2001
PORNSTAR_BORN TO BE A STAR
Die These einer Pornogesellschaft unterstellt, dass ein liberal-ökonomisches System, das auf die Deregulierung des Marktes setzt und Solidarität gegen Subsidiarität tauscht, einseitig individuelle und pekuniäre Vorteile fördert. So wie die Pornographie die Darstellung geschlechtlicher Vorgänge unter einseitiger Betonung des genitalen Bereichs und unter Ausklammerung der psychischen Gesichtspunkte der Sexualität darstellt, befindet sich die neoliberale Pornogesellschaft auf der Suche nach ihren egoistischen Genen. Nur der Pornstar ist “born to be a star” und erfüllt sozialdarwinistisch das Gesetz eines “survival of the fittest”. Er verkörpert die höchste Attraktivität, den stärksten Narzißmus, die intimste Selbstlust und den Kurzschluß zwischen Geno- und Phänotyp. Er ist reines Geschlecht und sich selbst verwertende Potenz. Dem Pornstar geht es nicht um genetischen oder sozialen Altruismus, um die Streuung von Information und Kapital, sondern um Klonierung und Onanie. […] Das internationale Finanzsystem kann spätestens seit der Konstituierung elektronischer Netze als eine gewaltige Onaniemaschine gestützt durch die Pataphysik der Banken beschrieben werden. Das Gerede von der Virtualisierung der Kultur münzt sich deshalb weniger auf die neuen Medien als auf das alte Geld, dem ultimativen Transformationsmedium, das zum ontologischen Garanten unserer Existenz geworden ist. […] Pornoontologisch können wir nur überleben, wenn wir uns zu einem Kultobjekt stilisieren. Nur dadurch können wir unsere Gene um jeden Preis verkaufen und das Egokapital der Ichmaschine verzinsen. Die persönliche Fitness, der Körperkult und die finanzielle Potenz werden zu Synonymen für die wirtschaftliche Progression des Neoliberalismus bei gleichzeitiger kultureller und sozialer Inflation. […] Der menschliche Körper synthetisiert sich mit Corporate Identities, die wiederum den Körper in Form von Logos und Marken tätowieren, wodurch sich jede Reflexion und Narration in der iterativen Ejakulation, in der leeren Wiederholung der Kapitalflüsse erschöpft. Nicht die Sexualität, das Genießen, die Masturbation oder Kopulation, sondern die Ohnmacht der Politik, der entropische Konsum, die metastatischen Konzerne und ihr Marketing sind obszön.
Thomas Feuerstein
the works are published in:
coming closer
mit Texten von Thomas Feuerstein
und Robert Fleck
ed. Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Innsbruck
published by Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Innsbruck
ISBN 3-902315-02-4
Design: Christoph Hinterhuber